Übers Nichtstun
Dieser Blog-Beitrag ist ein persönliches Geständnis und gleichzeitig möchte er dir Inspiration sein für deine eigene Reflexion: „Bist du gut im Nichtstun?“. Was ist deine Antwort auf diese Frage?
„Kannst du gut nichts tun?“ – Ertappt!
„Kannst du gut nichts tun?“ fragte mich vor gefühlt einem Jahrzehnt ein Bekannter und meine Antwort kam wie aus der Pistole geschossen: „Na klar, ich liege super gern auf der Couch und lese.“
Ein überlegenes Lächeln huschte über das Gesicht meines Gegenübers. „Nein“, sagte er. „Ich meine nicht Lesen, ich meine: Nichtstun.“ Ich fühlte mich ertappt. Offensichtlich hatte ich keinen blassen Schimmer, was Nichtstun bedeutet. Auf der Couch liegen und lesen war für mich dasselbe wie Nichtstun. Dabei ist Lesen immer noch eine Tätigkeit – auch wenn man abseits vom gelegentlichen Seitenumblättern keine körperliche Aktivität beobachten kann.
Vom „Nichtstun“ zum „Einfach sein“
Was ist das überhaupt, das Nichtstun? Ist der Begriff „Nichtstun“ nicht schon paradox in sich? Nichts & Tun – wie passen diese beiden Begriffe zusammen? Streng genommen gar nicht. Um es noch einmal klar zu sagen: Ich meine mit „Nichtstun“ nicht erholsame Aktivitäten wie in der Natur spazieren gehen, einen seichten Film schauen, in einem Roman versinken, in der Badewanne liegen oder sich eine Massage gönnen. Nicht einmal Meditieren meine ich. Ist Nichtstun überhaupt möglich?
Bevor dies ein philosophischer Diskurs wird, möchte ich eine pragmatische Alternative anbieten. Wie wäre es mit „Einfach sein“? Einfach ohne Agenda sein. Mit sich sein. Sich nichts vornehmen und den Tag verstreichen lassen. Ohne Ziele. Ohne Plan.
Nichtstun ist gar nicht so leicht
Wie klingt das für dich? Wie viele Tage gibt es in deinem Kalender, die ohne Einträge sind? Stresst es dich vielleicht sogar, nichts vorzuhaben? Hast du Angst vor Langeweile? Zugegeben: In einer Welt, die sich um Leistungen und Ergebnisse dreht, kommt schnell Unwohlsein auf, wenn man sich dem Nichtstun „aktiv hingeben“ will (um Himmels willen: „dem Nichtstun aktiv hingeben“ – tz!).
„Was hast du am Wochenende gemacht?“ – „Nichts!“ zu antworten, ist gar nicht so leicht. Könnte der andere doch denken, ich habe keine Freunde, keine Hobbies, kein Sportprogramm, keine Ziele, keinen Antrieb. Doch ohne Polaritäten geht es nicht im Leben. Sportler wissen das: Auf Anstrengung folgt Regeneration, sonst geht die Leistungskurve runter.
Gefunden: mein Refugium fürs Nichtstun
Nach interessanten Monaten eines besonderen Jahres („Was hast du 2020 gemacht?“ – „Händewaschen!“) war mir sehr nach ein paar Tagen des Nichtstuns. Ich machte mich auf die Suche nach einem passenden Ort und wurde fündig. Keine halbe Stunde von meinen Eltern entfernt (Danke, dass mein Sohn in diesen Tagen bei euch sein kann!) fand ich mein Refugium. Abseits eines 700-Einwohner-Ortes, angegliedert an eine alte Wassermühle, habe ich einen schönen Yoga-Raum mit charmanter Küche und Bad nur für mich. Eine große Fensterfront lässt mich in das üppige Grün des großen Gartens blicken. In der Früh beobachte ich Eichhörnchen, täglich schenkt mir die Katze erlegte Vögel und Mäuse. Für mich gibt es hier nichts zu tun.
Auch Nichtstun braucht Übung
Für mich gibt es hier nichts zu tun – stimmt das wirklich? Ich gebe zu: Es ist immer noch eine herausfordernde Übung: Noch zu Hause in Wien fing ich eine Liste an: „Was ich tun möchte in meiner Auszeit“. Am Weg zu meinem Refugium dachte ich an all die Freunde und Bekannte in Köln, die ich treffen könnte. Beim Lebensmittel einkaufen vor zwei Tagen entdeckte ich Sehenswertes in Zülpich, das ich besichtigen könnte. Ein Bach hinterm Grundstück lädt zu ausgedehnten Spaziergängen ein. Und den Stapel Bücher, den ich mitgenommen habe, verschweige ich lieber.
Vielleicht geht echtes Nichtstun für mich nicht. Zumindest nicht für längere Zeit. Doch ich genieße die Tage ohne Agenda. Ohne Termine. Ohne Müssen. Tage in meinem ganz eigenen Rhythmus. Tage der Achtsamkeit. Essen nach Hunger und nicht nach Uhr. Jeden Moment neu entscheiden, was jetzt richtig ist: Tun oder Nichtstun.
Im Nichts bleibt Raum für Achtsamkeit
Einen klitzekleinen Spaziergang habe ich gestern eingebaut. Aus dem „Nichtstun“ heraus bleibt plötzlich genügend Aufmerksamkeit für Gräser, Bäume, Tiere, ja, selbst der große laute Mähdräscher auf dem Feld wird plötzlich zum faszinierenden Hingucker, wenn der Alltag einmal losgelassen hat.
Und wenn dann auch noch ein Blog-Beitrag entsteht, dann … ja, dann ist er wirklich einfach so entstanden … und war kein to do in meinem Kalender. Denn ich bin hier ohne Plan. Ohne Agenda. Ich bin einfach. Und lasse entstehen.
Ich wünsche dir ebenfalls Momente des Nichtstuns ohne Plan und Agenda.
Lass dich überraschen, was dann Neues entsteht!
Danke sagen möchte ich meiner Gastgeberin Suva. In ihrem Studio habe ich mein Nichtstun nicht nur genossen, sondern sie hat mich auch kulinarisch versorgt – köstlich vegetarisch! Mehr über Suva, ihre Angebote und die Möglichkeit einer Auszeit in der Eifel findest du auf ihrer Homepage.